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Der zunehmende Bedarf an Rechenleistung für Künstliche Intelligenz treibt Großbritannien in eine Energiekrise. Internationale Technologiekonzerne wie Microsoft, NVIDIA und OpenAI investieren Milliarden in neue Rechenzentren. Das britische Stromnetz stößt an seine Grenzen. Laut Berichten der Greater London Authority, kurz GLA, sind die Kapazitäten in Teilen Londons bereits erschöpft. Besonders betroffen sind die Bezirke Hillingdon, Ealing und Hounslow, sie machen elf Prozent des Londoner Wohnraums aus. Bauprojekte für dringend benötigten Wohnraum liegen still, weil das Netz keine zusätzlichen Anschlüsse mehr bereitstellen kann. Experten schätzen, dass der Netzausbau mehr als zehn Jahre dauern wird. In dieser Zeit könnten Infrastrukturvorhaben auf Eis liegen.
Spekulative Anträge verschärfen die Engpässe
Ein zentrales Problem sind spekulative Anschlussanträge. Rechenzentrumsbetreiber sichern sich frühzeitig Kapazitäten im Stromnetz, um bei steigender Nachfrage nicht ins Hintertreffen zu geraten. Viele dieser Anträge dienen jedoch weniger der Inbetriebnahme als der strategischen Absicherung zukünftiger Standorte. Dadurch blockieren sie Kapazitäten, die für andere Projekte wie Wohnbauten oder Industrieanlagen benötigt würden. Der Bau eines Rechenzentrums dauert ein bis zwei Jahre, während Netzbetreiber für neue Leitungen oft über ein Jahrzehnt benötigen. Diese Diskrepanz führt dazu, dass Investitionen in andere Infrastrukturen verzögert oder gestoppt werden. Die Folgen treffen die gesamte Wirtschaft.
Konflikt zwischen Klimazielen und Energiebedarf
Großbritannien ringt mit einem Zielkonflikt. Einerseits will das Land seine Klimaziele erreichen, andererseits steigt der Strombedarf durch Rechenzentren exponentiell. Studien prognostizieren, dass der globale Energieverbrauch dieser Einrichtungen bis 2030 verdoppelt wird. In Irland und Teilen Englands verbrauchen Rechenzentren bereits über 25 Prozent des gesamten Stroms. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, setzen einige Betreiber auf Gaskraftwerke vor Ort. Diese Lösung kollidiert jedoch mit den nationalen Dekarbonisierungsplänen. Fünf geplante Rechenzentren im Süden Englands haben Anfragen für Gasanschlüsse gestellt, was Umweltverbände kritisieren. Gleichzeitig sind erneuerbare Energien wie Wind und Sonne aufgrund ihrer Schwankungsbreite schwer planbar.
Lösungsansätze: Dezentrale Versorgung und Netzausbau
Experten sehen dezentrale Energiekonzepte als Ausweg aus der Krise. Unternehmen wie Aggreko plädieren dafür, Rechenzentren stärker mit lokal erzeugtem Strom zu versorgen – etwa durch Gasmotoren, Solaranlagen oder kleine Kernreaktoren. Rolls-Royce entwickelt Systeme, bei denen Verbrennungsmotoren als Notstromversorgung dienen sollen. Parallel dazu fordert Digital Realty, einer der größten Rechenzentrums-Entwickler weltweit, eine grundlegende Modernisierung der Planung durch die Netzbetreiber. Nur durch enge Abstimmung zwischen Politik, Netzbetreibern und Technologieunternehmen lassen sich Engpässe langfristig entschärfen. Für deutsche Mittelständler, die eigene digitale Infrastruktur planen, zeigt die britische Situation: Frühe Absprachen mit lokalen Netzbetreibern und die Prüfung alternativer Energiequellen sind unverzichtbar, um Bauvorhaben nicht zu gefährden.
