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Industriestrompreis und neue Gaskraftwerke: Regierung sichert Energiewende ab

Photo by American Public Power Association / Unsplash

Inhaltsverzeichnis

Im Koalitionsausschuss hat die Bundesregierung zwei zentrale Weichenstellungen beschlossen. Ab 2026 sollen stromintensive Unternehmen von einem staatlich subventionierten Industriestrompreis profitieren. Gleichzeitig soll der Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke vorangetrieben werden. Bundeskanzler Friedrich Merz nannte einen Zielpreis von fünf Cent pro Kilowattstunde, der drei Jahre gelten soll. Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil bezifferte die Kosten für den Staat auf drei bis fünf Milliarden Euro.

Der Zeitpunkt der Entscheidungen ist kritisch. Der Industriestrompreis liegt aktuell bei rund 18 Cent pro Kilowattstunde für Unternehmen ohne Vergünstigungen. Großverbraucher mit bestehenden Vergünstigungen zahlen ungefähr 11 Cent. Damit bleiben die Energiekosten in Deutschland deutlich über dem angestrebten Niveau und belasten die internationale Wettbewerbsfähigkeit.

Wer profitiert vom Industriestrompreis

Der neue Industriestrompreis richtet sich gezielt an besonders energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Genannt werden vor allem Stahl- und Chemieindustrien. Die Bundesregierung orientiert sich am Beihilferahmen der EU-Kommission, dem Clean Industrial Deal State Aid Framework. Dieser erlaubt eine maximale Förderung bis Ende 2028 mit einer Preissenkung auf höchstens fünf Cent pro Kilowattstunde.

Allerdings gibt es klare Einschränkungen. Kleinere und mittelständische Unternehmen, die nicht zu den definierten stromintensiven Branchen gehören oder nicht im direkten internationalen Wettbewerb stehen, könnten leer ausgehen. Ökonom Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung kritisierte, die Entscheidungen wirkten von Lobbyinteressen dominiert. Der Industriestrompreis könnte der großen Mehrheit der deutschen Unternehmen zusätzliche Kosten bescheren.

Kraftwerksstrategie zur Versorgungssicherheit

Parallel zur Industriestrompreis-Debatte hat die Bundesregierung ihre Kraftwerksstrategie konkretisiert. Ziel ist es, die schwankende Stromerzeugung aus Wind und Sonne durch regelbare Kraftwerkskapazitäten abzusichern. Für 2026 sind Ausschreibungen von Gaskraftwerken mit insgesamt zehn Gigawatt geplant, die bis 2031 in Betrieb gehen sollen. Weitere zwei Gigawatt sollen bis 2032 folgen.

Eine zentrale Vorgabe lautet: Alle neuen Gaskraftwerke müssen auch mit Wasserstoff betrieben werden können. Zwei der zehn Gigawatt werden technologieoffen ausgeschrieben, sodass auch Batteriespeicher eine Chance auf den Zuschlag haben. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche bezeichnete die Einigung als dringenden Schritt, um die Versorgungsfähigkeit zu gewährleisten.

Der Energiekonzern RWE hat drei Standorte identifiziert, an denen der Bau rasch beginnen könnte. Insgesamt will das Unternehmen drei Gigawatt an flexibler Kraftwerkskapazität aufbauen. Erste Anlagen könnten 2030 den Betrieb aufnehmen, sofern die Ausschreibungen früh im kommenden Jahr starten.

Planungsunsicherheit bleibt bestehen

Trotz der Beschlüsse fehlen noch wichtige Details. Die EU-Kommission muss den Plänen noch zustimmen. Die Kanzlerkandidaten Zeugen zuversichtlich. Die Regelungen zum Industriestrompreis müssen zügig durch die parlamentarischen Gremien gebracht werden, damit sie zum 1. Januar 2026 in Kraft treten können.

Für mittelständische Unternehmen bleibt die Situation unsicher. Große stromintensive Betriebe dürfen auf Entlastungen hoffen, doch es ist unklar, welche Kriterien erfüllt sein müssen und ob auch kleinere Betriebe profitieren. Die Bundesregierung will die Förderung mit Reinvestitionsauflagen verbinden, zum Beispiel für den klimaneutralen Umbau der Industrie durch direkte Elektrifizierung industrieller Prozesse.

Die ursprünglich für 2025 geplanten Ausschreibungen der Gaskraftwerke wurden auf 2026 verschoben. Auch für den ab 2028 geplanten Kapazitätsmechanismus gibt es noch kein detailliertes Konzept. Diese Verzögerungen könnten die Planungssicherheit für Investitionen in die Energieinfrastruktur beeinträchtigen.

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