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Mehr als jedes dritte Industrieunternehmen in Deutschland bewertet seine internationale Wettbewerbsfähigkeit als eingeschränkt. Eine ifo-Umfrage zeigt: Im Oktober 2025 gaben 36,6 Prozent der befragten Betriebe an, Nachteile gegenüber außereuropäischen Konkurrenten zu spüren. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Erhebungen vor mehr als drei Jahrzehnten. Im Juli lag der Anteil noch bei 24,7 Prozent, was den deutlichen Abwärtstrend in wenigen Monaten belegt. Auch im europäischen Vergleich verschlechtert sich die Lage: 21,5 Prozent der Unternehmen fühlen sich gegenüber EU-Ländern im Nachteil. Experten warnen vor langfristigen Folgen für den Industriestandort Deutschland.
Elektronik- und Chemiebranche besonders unter Druck
Der Druck trifft vor allem energieintensive Branchen, die den deutschen Export maßgeblich tragen. In der Chemieindustrie berichten mehr als die Hälfte von spürbarem Wettbewerbsverlust, bei Herstellern elektronischer und optischer Erzeugnisse sind es 47 Prozent. Im Maschinenbau liegt der Anteil bei rund 40 Prozent. Ursachen sind gestiegene Produktionskosten sowie zunehmende Konkurrenz aus Ländern mit günstigeren Energiepreisen und weniger strengen Regelungen. Ohne gezielte Unterstützung droht vielen Unternehmen langfristig der Verlust ihrer internationalen Position.
Bürokratie als zentrales Hindernis für Innovation
Neben den Energiekosten gilt Bürokratie als eines der größten Hindernisse für den Mittelstand. Rund drei Viertel der Unternehmen beanstanden zu lange Genehmigungsverfahren und komplexe Vorschriften, die selbst einfache Vorhaben wie die Installation von Photovoltaik-Anlagen verzögern. Eine EY-Studie zeigt, dass bürokratische Hürden für viele Firmen schwerer wiegen als hohe Energiepreise, insbesondere bei der Umstellung auf klimafreundliche Produktion. In der Energie- und Wasserwirtschaft kosten administrative Pflichten jährlich etwa 1,5 Milliarden Euro. Kleine und mittlere Unternehmen verlieren Fördergelder, weil der Aufwand für Anträge und Gutachten zu hoch ist.
Energiepreise im internationalen Vergleich
Obwohl die Strompreise der deutschen Industrie im europäischen Mittelfeld liegen, profitieren internationale Wettbewerber stärker von Subventionen. In den USA wird Industriestrom stark gefördert, weshalb Konzerne wie Volkswagen Teile der Batteriefertigung lieber dort ansiedeln. Bereits vor der Ukraine-Krise hatten hohe Energiekosten viele energieintensive Betriebe veranlasst, Produktionsteile ins Ausland zu verlagern. Gegenwärtig erhalten betroffene Unternehmen zwar Sonderregelungen wie reduzierte EEG-Umlagen, doch langfristig reichen diese Maßnahmen nicht aus, um die Wettbewerbsnachteile vollständig auszugleichen.
Reformen müssen jetzt ansetzen
Das ifo-Institut fordert dringend strukturelle Änderungen, um den Abwärtstrend zu stoppen. Ziel ist die Senkung der Energiekosten, der Abbau bürokratischer Hürden und die Modernisierung der Infrastruktur. Bundeswirtschaftsministerin Reiche (CDU) hat eine Agenda 2030 vorgestellt, die diese Punkte gezielt adressiert. Kritisch ist zudem, dass sich die Probleme nicht erst seit der Energiekrise abzeichnen: Seit 2017 verzeichnet die Industrieproduktion einen kontinuierlichen Rückgang, verstärkt durch die Corona-Pandemie und geopolitische Unsicherheiten. Für den Mittelstand gilt es nun, gemeinsam mit der Politik Lösungen zu entwickeln, die kurzfristig Entlastung schaffen und langfristig den Standort sichern.
