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Die deutsche Chemieindustrie steckt in einer schweren Krise. Nach Zahlen des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) liegt die Kapazitätsauslastung derzeit bei 70 Prozent. Das ist der niedrigste Wert seit 1991. Die Schwelle von 82 Prozent, die für rentable Produktion nötig ist, wird deutlich unterschritten. Grundstoffhersteller sind besonders betroffen; die Pharmabranche gilt als stabilster Sektor. Im dritten Quartal 2025 fiel die Produktion gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 1,5 Prozent. Bereits im zweiten Quartal gab es einen Rückgang von 3,8 Prozent.
Gründe der Krise: Hohe Kosten, Regulierung und Nachfrage
Zu den Haupttreibern gehören weiterhin hohe Energiepreise, bürokratische Hürden und regulatorische Belastungen. Unternehmen berichten von erheblichen Wettbewerbsnachteilen gegenüber internationalen Konkurrenten, vor allem wegen der teuren Stromkosten in Deutschland. Zusätzlich belasten weltweite Überkapazitäten und ein schwaches Exportgeschäft die Branche. Außerhalb Europas brachen die Umsätze ein, während Europa stagnierte. Zudem drosseln viele Industriezweige ihre Produktion, was zu einem Rückgang der Bestellungen von Chemikalien um zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr führt.
Folgen für Unternehmen: Stilllegungen und Investitionszurückhaltung
Die geringe Auslastung zwingt Unternehmen zu drastischen Maßnahmen. Bei BASF und Covestro laufen bereits Sparprogramme mit Stellenabbau und Produktionskürzungen. Im Inland drohen weitere Anlagenstilllegungen, da viele Werke wirtschaftlich nicht mehr zu betreiben sind. Gleichzeitig ziehen sich Unternehmen aus Investitionen zurück. Die Ausrüstungsinvestitionen in der deutschen Industrie sanken 2024 um 3,8 Prozent auf rund 265 Milliarden Euro. Das gefährdet kurzfristige Arbeitsplätze sowie die langfristige Innovationskraft der Branche.
VCI fordert politische Kurskorrektur
Der VCI ruft Regierung und EU-Kommission zu Gegenmaßnahmen auf. Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup betont, dass Flickschusterei nicht mehr ausreiche. Der Verband fordert eine deutliche Senkung der Stromkosten, den Abbau von Bürokratie und Anpassungen im europäischen Emissionshandel, um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Zudem müsse die Politik regulatorische Hürden abbauen, die den Standort Deutschland belasten. Ohne diese Schritte drohe der Verlust von Produktionsstätten und die Abwanderung ganzer Wertschöpfungsketten ins Ausland.
Ausblick: Erholung erst 2026 möglich
Für das Jahr 2025 rechnet der VCI mit einem Produktionsrückgang der Chemiebranche um zwei Prozent. Die Pharmaindustrie könne diesen Effekt nur teilweise kompensieren. Der Gesamtumsatz dürfte voraussichtlich um ein Prozent auf 221 Milliarden Euro sinken. Eine klare Erholung sei frühestens 2026 zu erwarten, vorausgesetzt, die politischen Forderungen der Branche würden umgesetzt. Bis dahin bleibe die Stimmung in den Unternehmen gespannt. Die Frage lautet: Bleibt Deutschland Industriestandort oder steht die industrielle Zukunft auf dem Spiel?
